Mietminderung wegen einer Baustelle in der Nachbarschaft?

Mietminderung wegen einer Baustelle in der Nachbarschaft?
27.09.2019

Eines der Themen, das immer wieder heiß diskutiert wird, ist: Ist die Miete gemindert, wenn in der Nachbarschaft gebaut wird? Stichworte wie Baulückenrechtsprechung oder Bolzplatzentscheidung geistern durch die Köpfe. Die Straßenbaustelle vor dem Büro der Autorin gab Anlass sich erneut mit der Rechtsprechung zu diesem Thema, insbesondere in Berlin, auseinander zu setzen.

Ausgangspunkt der Überlegungen ist: Bauarbeiten in der Nachbarschaft verursachen Lärm und Schmutz. Die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache ist eingeschränkt. Aber wie wird das Risiko von Baumaßnahmen in der Nachbarschaft zwischen Vermieter und Mieter verteilt?

Die Miete ist gemindert, wenn ein Mangel vorliegt. Ein Mangel ist die negative Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit. Die erste Frage, die gestellt werden muss, ist: „Was ist die Soll-Beschaffenheit?“.

Der Mieter einer Wohnung oder einer Gewerbefläche weiß, dass er nicht allein auf der Welt ist, er sieht den defekten Straßenbelag und die Baulücken in der Nachbarschaft. Daher vertreten einige Gerichte die Ansicht, dass Baumaßnahmen in der Nachbarschaft – die Reparatur der Straßen oder das Schließen von Baulücken – zum vertragsgemäßen Zustand also zur Sollbeschaffenheit gehören. Andere Gerichte sind der Ansicht, dass Lärm und Staub Umweltmängel sind (und daher zu einer Minderung berechtigen).

Unter Juristen wird in diesem Zusammenhang die Bolzplatzentscheidung des BGH diskutiert. (BGH, Urteil vom 29.04.2015 – VIII ZR 197/14).

Dort war es so, dass in der zunächst ruhigen Nachbarschaft ein Bolzplatz für Kinder und Jugendliche gebaut wurde. Der Mieter meinte, dass die Miete gemindert sei. Der Rechtsstreit dazu führte Mieter und Vermieter bis vor den Bundesgerichtshof.

Der Bundesgerichtshof fragte dann eben auch:

  • Liegt eine Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit vor?
  • Hat Vermieter eine Garantie übernommen, dass die Wohnung „ruhig“ bleibt?
  • Haben Mieter und Vermieter vereinbart, dass es in der Wohnung so ruhig bleibt, wie beim Einzug?
  • Was hätten Mieter und Vermieter vereinbart, wenn sie an einen Bolzplatz auf dem Nachbargrundstück gedacht hätten?

ortant;}”]Der BGH meint, Mieter und Vermieter hätten dann wohl vereinbart, dass der Mieter nur dann die Miete mindern kann und darf, wenn auch der Vermieter vom Nachbarn entschädigt wird. Eine Entschädigung gibt es nach § 906 BGB. Nach § 906 Abs. 2 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks vom Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn wesentliche Beeinträchtigungen durch die Zuführung unwägbarer Stoffe bei ortsüblicher Benutzung des Grundstücks entstehen.

Daraus schlussfolgern nun einige, dass die Miete nur dann und in dem Umfang gemindert ist, wie der Nachbar bzw. der Bauende verpflichtet ist, nach § 906 BGB einen Ausgleich zu zahlen.

Die Bolzplatzentscheidung ist aber auch angegriffen worden. Ansprüche von Nachbarn untereinander seien eben nicht mit Ansprüchen der Parteien in einem Mietverhältnis vergleichbar. Die Landgerichte in Berlin und Hamburg sprechen daher bei Baulärm auch weiterhin – in Einzelfällen – Mietminderungen zu. Hier erfolgt jeweils eine Auseinandersetzung mit den Gegebenheiten des Einzelfalls und auch mit der Bolzplatzentscheidung des BGH. So erklärt das LG Hamburg, dass Baustellenlärm in Großstädten nicht generell hinzunehmen sei (LG Hamburg, 21.12.2018, 316 S 71/18). Es sei kein Raum für die Grundsätze der Bolzplatzentscheidung, wenn der Vermieter wusste, dass eine große Straßenbaustelle eingerichtet werde, daher sei die Miete gemindert, so das Landgericht Berlin (LG Berlin, Urteil vom 07.06.2017 – 18 S 211/16).

Nach dem vorgenannten bleibt für die Autorin die Frage: Ist die Miete wegen einer Straßenbaustelle gemindert?

Die Antwort ist Jein. Nach allen Entscheidungen der letzten Jahre kommt es auf folgendes an:

  • Wer wusste wann von der Baustelle?
  • War es offensichtlich, dass bald gebaut würde?
  • Was hätten die Parteien vereinbart?
  • Wie stark sind die Einschränkungen?
  • Wie lange dauern die Einschränkungen?

Je nachdem, wie diese Fragen beantwortet werden, ist die Miete gemindert oder eben nicht.

Autor: GROSS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Bildnachweis: Pixabay


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