Die Videoüberwachung von Grundstücken und Gebäuden

Die Videoüberwachung von Grundstücken und Gebäuden

Eines der Lieblingsthemen der Aufsichtsbehörden

09.08.2023
Eines der Lieblingsthemen der Aufsichtsbehörden ist die Videoüberwachung. Bilder aus Videoaufnahmen sind nämlich personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Ziff. 1 DS-GVO, denn sie enthalten bei Erkennbarkeit der abgebildeten Person Informationen, mit denen eine natürliche Person identifiziert werden kann. Beim Aufnehmen und Speichern dieser Bilddaten handelt es sich um einen Verarbeitungsprozess im Sinne von Art. 4 Ziff. 2 DS-GVO, womit nach Art. 2 Abs. 1 DS-GVO der sachliche Anwendungsbereich der DS-GVO eröffnet ist. Spezielle Regelungen für die Datenverarbeitung durch Videoüberwachung enthält die DS-GVO nicht.

Zu diesem Thema gibt es bei den Aufsichtsbehörden viele Beschwerden. Daher fassen wir hier einmal kurz das Wichtigste zur Videoüberwachung zusammen: 

I. Voraussetzungen

Da es keine spezielle Regelung gibt, ist die Videoüberwachung durch private Verantwortliche an der Rechtsgrundlage des Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO zu messen. Nach Art. 6 Abs.1 lit. f DS-GVO ist die Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person überwiegen.

1. Berechtigtes Interesse / Überwachungszweck

a. Überwachungszweck
Zur Feststellung des berechtigten Interesses ist zunächst ein eindeutiger Zweck festzulegen, der mit der Videoüberwachung erreicht werden soll. Der Zweck, sein Eigentum vor Einbruch oder Vandalismus zu schützen oder auch der Schutz von Personen, ist grundsätzlich ein berechtigtes Interesse zur Videoüberwachung. 

b. Gegenwärtige Gefahrenlage

Zur Rechtfertigung von Videoüberwachungsmaßnahmen muss außerdem eine tatsächliche Gefährdungslage vorliegen, d.h. das berechtigte Interesse muss tatsächlich und gegenwärtig bestehen. Indizien für eine tatsächliche Gefährdungslage können vorliegen, wenn es in der näheren Vergangenheit zu Einbrüchen, Einbruchsversuchen, Schäden oder sonstigen schweren Vorfällen gekommen ist. Bestimmten Orten können Gefährdungslagen auch innewohnen. Dies ist z.B. der Fall bei Juweliergeschäften oder Lagern mit wertvoller Ware oder bei Tankstellen, die generell häufig von Überfällen betroffenen sind. Möglich ist auch das Bestehen einer Gefahrenlage durch konkrete Erfahrungen aus der näheren Nachbarschaft, wenn dort bereits Schäden aufgetreten sind. Nicht ausreichend ist demgegenüber aber ein bloßer Verweis auf eine allgemeine Kriminalitätsstatistik ohne Bezug zum Objekt (EDPB, Leitlinien 3/2019 zur Verarbeitung personenbezogener Daten durch Videogeräte).

2. Erforderlichkeit

Es ist weiter zu prüfen, ob die konkrete Videoüberwachung zur Erreichung des festgelegten Zwecks geeignet ist und ob es ggf. alternative Maßnahmen gibt, die weniger stark in die Rechte der betroffenen Person eingreifen.

a. Geeignetheit

Nicht jede Verwendung von Videokameras ist ohne Weiteres geeignet, den festgelegten Überwachungszweck zu erreichen. Wenn die Videoüberwachung z.B. nur zu dem Zweck durchgeführt wird Straftaten zu verhindern, dann wäre eine reine Aufzeichnung von Bilddaten nicht geeignet zur Erreichung des Zwecks, weil die Straftat allein durch deren Aufzeichnung nicht verhindert werden kann. Erforderlich wäre in solchen Fällen vielmehr eine Beobachtung in Echtzeit, damit Bewachungspersonal im Falle der Beobachtung von Straftaten unmittelbar einschreiten kann.

Aufzeichnungen können aber dann ein geeignetes Mittel sein, wenn die Videokamera (auch) präventiv zur Abschreckung von möglichen Straftätern oder zur Beweissicherung und zur Täteridentifikation eingesetzt werden soll. 

b. Milderes Mittel

Vor der Verwendung von Videoinstallationen muss weiter geprüft werden, ob andere Maßnahmen möglich, zumutbar- und ggf. ebenso geeignet sind, um den Objektschutz herzustellen. 

In Betracht kommen Sicherungsmaßnahmen durch Umzäunung, allgemeine Zugangssicherungen (z.B. intakte Schließanlagen), der Einbau von Sicherheitsschlössern und/oder einbruchhemmenden Fenstern oder Türen, Beleuchtung mit Bewegungsmelder etc. Insbesondere bei gewerblich genutzten Objekten wäre auch an regelmäßige Kontrollgänge durch Bewachungspersonal zu denken.

Auch bei der Auswahl der Kameraeinstellungen ist für jede zum Einsatz kommende Kamera (einzeln!) der Grundsatz der Datenminimierung zu beachten (vgl. Art. 5 Abs. 1 lit. c DS-GVO). Das bedeutet, dass zu prüfen ist, auf welche Betriebszeiten und welche Erfassungsbereiche die Überwachung durch die jeweilige Kamera beschränkt werden kann. 

Es kann z.B. ausreichend sein, die Videoüberwachung nur außerhalb der Geschäftszeiten oder während der Nacht durchzuführen.

Außerdem ist die Ausrichtung der Kamera so zu wählen, dass nur der Bereich aufgenommen wird, der zur Erreichung des Überwachungszwecks tatsächlich erforderlich ist. Ist eine Beschränkung auf diesen Bereich allein durch die Kameraausrichtung nicht möglich, dann sind die nicht erforderlichen Bereiche durch technische Maßnahmen irreversibel auszublenden oder zu verpixeln.

3. Interessenabwägung

Die Videoüberwachung darf weiter nur in Betrieb genommen werden, wenn die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person nicht die berechtigten Interessen des Verantwortlichen (Schutz des Eigentums, ggf. Schutz von Personen) überwiegen. 

Die Interessenabwägung hat nach dem Erwägungsgrund 47 zur DS-GVO anhand der subjektiven Erwartungen der betroffenen Person im jeweiligen Einzelfall zu erfolgen. Parameter zur Beurteilung des jeweiligen Einzelfalls können sein: 

- Der von der Videoüberwachung betroffene Personenkreis: z.B. genießen Personen in einer Gastronomie- oder Freizeiteinrichtung einen höheren Schutz, weil die freie Entfaltung der Persönlichkeit an derartigen Orten im Vordergrund steht. 

- Die Art und der Umfang der erfassten Informationen: Überwachungsmaßnahmen, denen ein Betroffener nicht ausweichen kann und die dauerhaft erfolgen, wie z.B. die ständige Überwachung von Zufahrten und Ein- und Ausgängen intensivieren grundsätzlich einen Eingriff.

- Maßgeblich ist schließlich die Art und Weise der Datenverarbeitung: Hier spielt einerseits die Vorauswahl der technischen Funktionen der eingesetzten Kamera eine Rolle (verschärfend wirken z.B. Schwenk- oder Zoomfunktion, Möglichkeit des Fernzugriffs, Verarbeitung mit Softwareunterstützung). 

Außerdem spielen die technischen Schutzmaßnahmen eine Rolle, die begleitend zum Einsatz der Videoüberwachung festzulegen sind. Den Eingriff abmildern kann z.B. die Festlegung einer kurzen Speicherdauer, die bei Maßnahmen zur Überwachung maximal 72 Stunden betragen sollte, ein strenges Zugriffskonzept oder die Verwendung eines sog. „Black-Box“-Prinzips, bei den die Aufnahmen nach Ablauf der festgelegten Speicherfristen automatisch gelöscht und nur in den Fällen eines Vorfalls eingesehen werden.

II. Haushaltsausnahme

Videoaufnahmen, die ausschließlich auf den privaten oder familiären Bereich bezogen sind, fallen grundsätzlich unter den Ausnahmetatbestand des Art. 2 Abs. 2 lit. c DS-GVO und damit nicht in den Anwendungsbereich der DS-GVO. Aber Achtung: Soweit eine Videoüberwachung sich auch nur teilweise auf den öffentlichen Bereich erstreckt, kann die Verarbeitung bereits nicht mehr als ausschließlich dem persönlichen oder familiären Bereich zugehörig angesehen werden (EuGH, Urteil vom 11.12.2014, Az. C-212/13). 

Und auch Videokameras, die zwar nur innerhalb der eigenen Grundstücksgrenzen betrieben werden, aber dazu geeignet sind auch Personen aufzunehmen, zu denen keine persönliche Beziehung besteht (z.B. Gäste, Reinigungspersonal) sind in der Regel nicht von der Haushaltsausnahme des Art. 2 Abs.2 lit. c DS-GVO gedeckt. Maßgeblich zur Beurteilung der Ausnahmefälle nach Art. 2 Abs. 2 lit. c DS-GVO ist letztendlich immer eine Gesamtbetrachtung im Einzelfall.

III. Umsetzung

1. Nachweis des berechtigten Interesses

In Anbetracht der Rechenschaftspflicht nach Art. 5 Abs. 2 DS-GVO sollten sicherheitsrelevante Vorfälle, die durch die Videoüberwachung künftig vermieden werden sollen, im Vorfeld schriftlich dokumentiert werden (Datum, Art des Vorfalls, ggf. Schadenshöhe, Strafanzeige). 

Schriftlich dokumentiert werden sollte auch die Abwägung zur Auswahl von etwaigen milderen Mitteln zur Erreichung des Überwachungszwecks (s. o. II. 2. b. aa.).

Zu dokumentieren sind ferner die technischen Voreinstellungen der verwendeten Kamera/s.

Und auch das Ergebnis der regelmäßigen Prüfung über das Fortbestehend der Überwachungsgründe (s. u. Ziffer 4.) und das Ergebnis einer Vorabprüfung über die Erforderlichkeit einer Datenschutz-Folgenabschätzung (s. u. Ziffer 6) sind zu dokumentieren.

2. Verfahrensverzeichnis nach Art. 30 Abs. 1 DS-GVO

Der- bzw. die Zweck(e) der Videoüberwachung (s.o. II. 1.) sind für jede Kamera (separat!) in einem Verfahrensverzeichnis nach Art. 30 Abs. 1 DS-GVO zu dokumentieren. 

In das Verfahrensverzeichnis sind ferner alle nach Art. 30 Abs.1 DS-GVO erforderliche Angaben aufzunehmen, d.h. neben dem Zweck der Überwachung u. a. auch die Beschreibung der Kategorie der von der Überwachung betroffenen Personen (z.B. Mieter, Besucher, Dienstleister, Postbote) und die vorgesehenen Fristen für die Löschung der Bilddaten, die für jeden einzelnen Verarbeitungszweck (Überwachung, Einleitung von rechtlichen Maßnahmen gegen Täter) klar festzulegen sind.

3. Hinweisbeschilderung

Da der Betroffene grundsätzlich zum Zeitpunkt der Datenerhebung in transparenter Weise über die Verarbeitung und seine Rechte zu informieren ist, muss jede Videokamera mit einem Hinweisschild versehen werden, welches sämtliche Informationen nach Art. 13 DS-GVO enthält. Die Information sollte neben dem Überwachungszweck auch bereits den eventuell später entstehenden Verarbeitungszweck der Offenlegung gegenüber Strafverfolgungsbehörden umfassen (vgl. Art. 13 Abs. 3, 4 DS-GVO).

4. Regelmäßige Prüfung des Fortbestehens des berechtigten Interesses

Das Vorliegen der Voraussetzungen des Rechtfertigungsgrundes nach Art. 6 Abs.1 lit. f DS-GVO muss in regelmäßigen Abständen geprüft werden. Es muss deswegen je nach den Umständen des Einzelfalls, z.B. einmal jährlich geprüft und dokumentiert werden, ob ein akutes berechtigtes Interesse an der Videoüberwachung noch besteht.

5. Wartungsunternehmen als Auftragsverarbeiter 

Sofern ein Unternehmen mit der Wartung der Videoinstallation beauftragt wurde und das Wartungsunternehmen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten aus der Videoüberwachung hat, liegt in der Regel der Fall einer Auftragsdatenverarbeitung nach Art. 28 DS-GVO vor. Zwischen dem Verantwortlichen und dem Wartungsunternehmen muss deswegen ein Auftragsverarbeitungsvertrag geschlossen werden.

6. Datenschutzfolgeabschätzung

Sobald eine Datenverarbeitung voraussichtlich ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen zur Folge hat, ist der Verantwortliche nach Art. 35 Abs. 1 DS-GVO verpflichtet, eine Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) durchzuführen. Nach Art. 35 Abs. 3 lit. c DS-GVO ist eine DSFA insbesondere erforderlich bei einer systematischen umfangreichen Überwachung öffentlich zugänglicher Bereiche.

Umfangreich ist eine Überwachung nach ErwG 91 Satz 3 zur DS-GVO dann, wenn sie weiträumig erfolgt und/oder eine große Zahl von Personen betroffen ist. Als öffentlich zugänglich gelten Bereiche innerhalb oder außerhalb von Gebäuden, die nach dem erkennbaren Willen des Berechtigten von Jedermann genutzt oder betreten werden dürfen. Damit würden Videoüberwachungen innerhalb von Mehrfamilienhäusern nicht unter den Wortlaut von Art. 35 Abs. 3 lit.c DS-GVO fallen, wohl aber öffentlicher Straßenraum, Einkaufszentren oder Parkplätze.

Ob die Formulierung in Art. 35 Abs. 3 lit. c DS-GVO „Überwachung öffentlich zugänglicher Bereiche“ allerdings bedeutet, dass die Videoüberwachung in nicht öffentlich zugänglichen Bereichen oder eine Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Bereiche, die nicht umfangreich ist (z.B. Klingelkamera), grundsätzlich keiner DSFA bedarf, wird von der DS-GVO letztendlich offengelassen. Da die Aufzählung in Art. 35 Abs. 3 DS-GVO lediglich ein beispielhafter Katalog für solche Fälle ist, in denen eine Folgenabschätzung „insbesondere“ stattzufinden hat, kann man bei Abweichungen von den Tatbestandsmerkmalen nicht im Umkehrschluss davon ausgehen, dass eine DSFA nicht erforderlich ist.

Damit ist vor der Verwendung einer Videoinstallation im Rahmen einer Vorabprüfung also stets auch festzustellen, ob im konkreten Fall ggf. eine DSFA erforderlich ist.

Fazit

Der Betrieb von Videokameras in und an Gebäuden unterliegt einer Vielzahl von Anforderungen, für deren Aufzählung selbst eine vereinfachte Checkliste mehrere Seiten in Anspruch nimmt. Auch nach Kenntnis der Anforderungen gibt es weiter keine schematische Lösung, sondern es muss stets im jeweiligen Einzelfall geprüft und dokumentiert werden, dass die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen erfüllt sind. Insgesamt muss jedem Betreiber einer Videoinstallation bewusst sein, dass er sich zum Verantwortlichen im Sinne der DS-GVO für die Datenverarbeitung macht, woraus sich die vorstehend skizzierten Aufgaben und Pflichten ergeben. Bei Verletzung der Pflichten drohen neben zivilrechtlichen Unterlassungsansprüchen also auch Haftungsansprüche nach der DS-GVO. 

Autorin: Tanja Zerull, GROSS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Bildnachweis: Pexels

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