Pflicht zum Anbieten einer Onlineversammlung?
Eine Entscheidung des BGH
24.04.2025Seit Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes zum 1.12.2020 können die Wohnungseigentümer einen Grundlagenbeschluss nach § 23 Abs. 1 S. 2 WEG fassen und für künftige Versammlungen einzelnen Eigentümern ermöglichen, online an einer Präsenzversammlung teilzunehmen. In diesem Beitrag geht es um einen Fall, indem der BGH zu entscheiden hatte, ob der Verwalter die technischen Rahmenbedingungen einer hybriden Eigentümerversammlung vorhalten und die Eigentümer bereits mit der Ladung zur Eigentümerversammlung über die Möglichkeit zur Online-Teilnahme informieren muss.
Sachverhalt:
In der Eigentümerversammlung vom 5.7.2021 fassten die Eigentümer unter TOP 8 a folgenden Beschluss:
„Abhaltung von Hybridversammlungen: Die Wohnungseigentümer sind damit einverstanden, dass Eigentümerversammlungen im Rahmen einer Hybridversammlung abgehalten werden können, für den Fall, dass Präsenzversammlungen nicht möglich sind.“
Mit Schreiben vom 10.2.2022 lud die Verwalterin die Wohnungseigentümer für den 4.3.2022 zu einer Eigentümerversammlung ein. Die Einladung enthielt einen Hinweis auf die wegen der COVID-19-Pandemie (nachfolgend: Corona-Pandemie) geltenden „2G“-Regelungen. Die Klägerin zeigte der Verwalterin an, dass es ihr nach diesen Regelungen unmöglich sei, an der Eigentümerversammlung teilzunehmen, und beantragte deren Absage. Die Eigentümerversammlung fand statt. Es wurden mehrere Beschlüsse gefasst.
Gegen diese Beschlüsse wendet sich die Klägerin mit der Anfechtungsklage. Das Amtsgericht hat festgestellt, dass die Beschlüsse nichtig sind. Auch das Landgericht hielt sie für ungültig. Nun war der BGH gefragt.
Entscheidung des BGH:
Die Beschlüsse sind weder nichtig noch sind sie aufgrund eines Einladungsmangels aufzuheben.
Der Verwalter muss nicht bereits in der Ladung zur Eigentümerversammlung auf die Möglichkeit der Online-Teilnahme hinweisen und die dafür notwendigen technischen Details mitteilen. Das BGH Urteil (Urteil vom 20.9.2024, Az. V ZR 123/23 )lässt sich insoweit mit den folgenden Leitsätzen zusammenfassen:
1. Unter den während der Corona-Pandemie zeitweise geltenden landesrechtlichen Vorgaben von "2G" durfte eine Eigentümerversammlung stattfinden. Der Verwalter musste die für die Versammlung geltenden infektionsschutzrechtlichen Vorgaben beachten und durfte dementsprechend in der Ladung auf die Notwendigkeit der Einhaltung der "2G"-Regelung hinweisen. Die Abhaltung einer Eigentümerversammlung war auch dann ermessensgerecht, wenn einzelne Wohnungseigentümer mitteilten, die Vorgaben der "2G"-Regelung nicht zu erfüllen und deshalb an der Teilnahme gehindert zu sein.
2. Der Verwalter muss, wenn ein Grundlagenbeschluss nach § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG gefasst worden ist, nicht bereits in der Ladung zur Eigentümerversammlung auf die Möglichkeit der Online-Teilnahme hinweisen und die dafür notwendigen technischen Details mitteilen.
3. Ein Wohnungseigentümer, dem die Online-Teilnahme an der Eigentümerversammlung durch Beschluss gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG gestattet ist, muss aktiv von seinem Recht auf Online-Teilnahme Gebrauch machen. Der Verwalter kann dieses Verlangen abwarten und muss die Online-Teilnahme auch dann nicht von sich aus (vorsorglich) anbieten, wenn ein Wohnungseigentümer ihm mitteilt, dass er an der Versammlung nicht physisch teilnehmen kann. (amtliche Leitsätze)
Praxishinweis:
Hat die GdWE bereits einen Grundlagenbeschluss gefasst, der die Online-Teilnahme (sog. Hybrid-versammlungen) ermöglicht, müssen diejenigen Eigentümer, die an der Versammlung online teilnehmen möchten, selbst aktiv werden. Sie müssen den Verwalter auf diesen Umstand hinweisen und ihn rechtzeitig vor der Versammlung auffordern, die technischen Voraussetzungen für eine Online-Teilnahme zu schaffen. Erst dann ist der Verwalter verpflichtet, den Grundsatzbeschluss umzusetzen und den Eigentümern die Online–Teilnahme zu ermöglichen. Seit Oktober 2024 besteht darüber hinaus die Möglichkeit, unter bestimmten Bedingungen reine Onlineversammlungen der Wohnungseigentümer abzuhalten, wenn dies die Eigentümer zuvor mehrheitlich beschlossen haben.
Autor: Rechtsanwalt Michael Schmidt M.L.E., GROSS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
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