Schlüssel im Kasten, Frist im Lauf
BGH zur Rückgabe ohne Übergabe
15.10.2025Wann beginnt die Verjährung bei Einwurf der Schlüssel in den Briefkasten?
Die Rückgabe der Mietsache gehört zu den wichtigsten Pflichten des Mieters – und sie hat rechtliche Folgen: Mit ihr beginnt die Verjährungsfrist für Ersatzansprüche des Vermieters. Doch was gilt, wenn der Mieter die Schlüssel einfach in den Briefkasten wirft?
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 29. Januar 2025 (Az. XII ZR 96/23) entschieden: Auch eine Rückgabe ohne persönliche Übergabe kann den Verjährungsbeginn auslösen – wenn der Vermieter dadurch die tatsächliche Sachherrschaft über die Mietsache erlangt.
Sachverhalt
Vermieter und Mieter einer Gewerbeeinheit waren sich nicht einig, wann das Mietverhältnis endet. Es ist unklar, ob das Mietverhältnis am 30.6.2020 oder am 30.6.2021 endete. Am 31.12.2020 warf der Mieter die Schlüssel in den Hausbriefkasten des Vermieters. Mit Schreiben vom 7.1.2021 erklärte der Vermieter, dass er nicht empfangsbereit und die Rückgabe der Schlüssel ausdrücklich gegen seinen Willen erfolgt sei.
Im Juni 2021 forderte der Vermieter den Mieter auf, im Einzelnen benannte Mängel und Schäden an der Mietsache zu beseitigen. Am 21.8.2021 beantragte der Vermieter einen Mahnbescheid wegen der Schadenersatzforderungen. Der Mieter beruft sich auf Verjährung.
Entscheidung
Der BGH stellte klar: Der Rückerhalt der Mietsache im Sinne von § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB setzt voraus, dass der Vermieter die tatsächliche Sachherrschaft über die Räume erlangt. Der Einwurf der Schlüssel in den Briefkasten kann dafür ausreichen – vorausgesetzt, dass der Vermieter dadurch ungehindert auf die Mietsache zugreifen kann. Eine persönliche Übergabe ist nicht zwingend erforderlich.
Das Gericht führte weiter aus, dass der Vermieter die Wohnung nicht auf Zuruf zurücknehmen müsse. Wenn der Vermieter aber die Schlüssel im Besitz hat, hat er auch Besitz an der Mietsache, denn er hat einen generellen Besitzwillen.
Wenn der Vermieter das nicht will, müsste er die Schlüssel an den Mieter zurücksenden.
Übrigens
Während einer Tagung wurde Dr. Günther, Richter am XII. Zivilsenat des BGH gefragt, ob dies auch gelte, wenn bei dem Schlüssel nicht erkennbar sei, welche Einheit er betreffe, also einfach nur ein Schlüssel eingeworfen wird. Wenn ich seine Reaktion richtig deute, ist dies nicht der Fall. In diesem Fall kann der Vermieter nicht auf die Mietsache zugreifen, weil er ja nicht weiß, um welche Mietsache es sich handelt. (Etwas anderes kann nur gelten, wenn der Vermieter nur eine Mietsache vermietet.)
Rechtliche Einordnung: § 548 BGB und der Verjährungsbeginn
Nach § 548 Abs. 1 BGB beginnt die sechsmonatige Verjährungsfrist für Ersatzansprüche des Vermieters mit dem Zeitpunkt, in dem er die Mietsache zurückerhält. Maßgeblich ist dabei nicht das Ende des Vertragsverhältnisses, sondern der tatsächliche Besitzübergang.
Der BGH betont, dass es auf die Möglichkeit des Vermieters ankommt, die Mietsache ungestört in Besitz zu nehmen – unabhängig von einer formellen Übergabe oder einem Abnahmeprotokoll.
Das bedeutet aber auch, dass hier ein Anspruch der Verjährung unterliegt, der noch nicht einmal entstanden ist. Oder im vorliegenden Fall: Wenn das Mietverhältnis am 30.6.2021 endete, entsteht an diesem Tag der Anspruch auf ordnungsgemäße Rückgabe und ggf. auch Schadensersatz wegen nicht ordnungsgemäßer Rückgabe. Die Verjährungsfrist könnte aber auch schon an demselben Tag, dem 30.6.2021 ablaufen.
Tatsächlich beginnt die Verjährungsfrist nicht mit dem 31.12.2020, sondern erst mit dem Tag, an dem der Vermieter tatsächlich die Mietsache hätte besichtigen können. Dies könnte frühestens der 4.1.2021 (Montag) sein. Gut zu argumentieren wäre hier auch noch der 7.1.2021 als Verjährungsbeginn (Ferien, Feiertage). Aber auch dann wäre der letzte Tag der Verjährungsfrist der 7.7.2021.
Nochmal Übrigens:
Nach einer aktuellen Entscheidung des LG Berlin II (Beschluss vom 11.9.2024, 64 S 51/22) muss der Vermieter genau zum Verjährungsbeginn vortragen. Der Vortrag, dass die Wohnung im Dezember 2020 leer gewesen sei und der Vermieter daher Ende Dezember 2020 die Schlösser ausgetauscht habe“ reicht nicht. Hier war der Mahnbescheid am 8.6.2021 eingereicht worden. Das LG Berlin II sah die Forderung als verjährt an.
Folgen für die Praxis: Was Vermieter und Verwalter jetzt beachten müssen
Beide Urteile des BGH und des LG Berlin II unterstreichen die Bedeutung einer sorgfältigen Dokumentation bei der Rückgabe der Mietsache. Vermieter sollten den Zeitpunkt des Rückerhalts genau festhalten – insbesondere bei Schlüsselrückgaben ohne persönliche Übergabe. Verwalter sind gut beraten, klare Abläufe für die Rückgabe zu etablieren, um spätere Streitigkeiten über den Verjährungsbeginn zu vermeiden.
Fazit
Das Urteil des BGH verdeutlicht: Die Rückgabe der Mietsache kann auch ohne persönliche Übergabe erfolgen – aber nur, wenn der Vermieter dadurch tatsächlich Zugriff auf die Räume erhält. Der Einwurf der Schlüssel in den Briefkasten reicht aus, wenn er dem Vermieter die Sachherrschaft ermöglicht.
Autorin: Katharina Gündel, GROSS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH