Bestandskräftige Jahresabrechnung nach unwirksamen Verteilerschlüssel – was nun?
Was tun nach der erfolgreichen Anfechtung eines Kostenbeschlusses?
27.09.2023Es soll vorkommen, dass Kostenbeschlüsse der WEG fehlerhaft sind. Wenn dies der Fall ist, kann ein Eigentümer den entsprechenden Beschluss erfolgreich anfechten. Doch was passiert dann – vor allem während des laufenden Anfechtungsverfahrens? Und was passiert danach? Worüber ist zu beschließen? Was ist mit der Jahresabrechnung? Kann die Gemeinschaft dennoch die Nachschüsse aus der Jahresabrechnung fordern?
Wenn ein Kostenverteilungsschlüssel für unwirksam erklärt wird, die zwischenzeitlich beschlossene Jahresabrechnung aber nicht angefochten wurde, wer muss dann was bezahlen. In diesem Beitrag geht es um eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu diesem Thema.
Der Fall:
In einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) gibt es 21 Einheiten und ein Kegelbahngebäude. Dessen Dach musste saniert werden. Die Kosten für die über seiner Einheit gelegene Dachfläche von voraussichtlich 24.000 € sollte ein Eigentümer einer Einheit in dem Kegelbahngebäude allein tragen. Dagegen erhob der Anfechtungsklage. Die Baumaßnahme wurde ausgeführt und dann über die Kosten in der Jahresabrechnung beschlossen. Dieser Beschluss wurde bestandskräftig. Dann wurde über die Anfechtungsklage entschieden und dieser stattgegeben. Der ursprünglich beschlossene Verteilungsschlüssel war also unwirksam. Dieser unwirksame Verteilungsschlüssel lag aber der nun bestandskräftigen Jahresabrechnung zugrunde.
Muss der Eigentümer nun zahlen (aufgrund der Jahresabrechnung) oder nicht (aufgrund des unwirksamen Verteilerschlüssels)?
Überlegungen:
Die Jahresabrechnung (mit dem später für unwirksam erklärten Verteilerschlüssel) ist bestandskräftig und daher wirksam. Wenn der Eigentümer nicht zahlen will, hätte er den Beschluss über die Nachschüsse (Jahresabrechnung) anfechten müssen. Wenn er nicht angefochten hat, hat er Pech gehabt.
ODER
Die Jahresabrechnung war richtig und nicht erfolgreich anfechtbar, denn damals war der Kotenverteilungsschlüssel richtig (denn er war noch nicht aufgehoben). Der Eigentümer konnte ihn daher gar nicht erfolgreich anfechten.
Der Eigentümer ist daher in einer doofen Situation: Muss er anfechten (um nicht zu bezahlen)? Oder verliert er, wenn er anficht?
Das Urteil:
Der BGH hat sich mit diesen Fragen auseinandergesetzt. Der Eigentümer würde die Anfechtung der Jahresabrechnung verlieren, hat aber Anspruch auf einen abändernden Zweitbeschluss und braucht daher die Nachforderung nicht zu zahlen.
Die Jahresabrechnung war zutreffend, denn der beschlossene (und noch nicht aufgehobene) Kostenverteilungsschlüssel lag dieser zugrunde. Wird danach ein der Jahresabrechnung zugrunde liegender Beschluss über eine von dem Gesetz oder einer Vereinbarung abweichende Kostenverteilung rechtskräftig für ungültig erklärt, ist die GdWE und damit der Verwalter zu der Erstellung einer korrigierten Jahresabrechnung verpflichtet. Jeder Wohnungseigentümer hat also Anspruch auf einen solchen abändernden Zweitbeschluss.
In einem solchen Fall darf die GdWE die bereits beschlossenen Nachschüsse nicht weiter verfolgen. Eine weitere gerichtliche Geltendmachung scheidet daher aus.
In dem Fall muss die GdWE den Rechtsstreit für erledigt erklären. Die Kosten hat dann der säumige Eigentümer zu tragen. In diesem Fall hätte also der Eigentümer, der zunächst die Kostenverteilung erfolgreich angefochten hatte, die Kosten der gegen ihn gerichteten Zahlungsklage zu tragen.
Fazit:
Nach der Bestandskraft geht immer noch was. Es muss auch noch was gehen, wenn die unwirksame Kostenverteilung der Jahresabrechnung zugrunde liegt. In diesem Fall muss über die Nachschüsse (die Jahresabrechnung) mit einem zutreffenden Kostenverteilungsschlüssel neu beschlossen werden.
BGH (V. Zivilsenat), Urteil vom 16.06.2023 – V ZR 251/21