Der Vorwegabzug in der Betriebskostenabrechnung

Der Vorwegabzug in der Betriebskostenabrechnung
22.02.2018

Der Vorwegabzug in der Betriebskostenabrechnung

Die Betriebskostenabrechnung ist einer der häufigsten Streitpunkte in einem Mietverhältnis. Bei gemischt genutzten Gebäuden, also solchen in denen Wohnungen und Gewerbebetriebe vorhanden sind, kommt regelmäßig der Einwand, dass ein notwendiger Vorwegabzug nicht erfolgt und deshalb die Betriebskostenabrechnung falsch sei. Dabei wird dieser Einwand oft missbräuchlich oder schlicht falsch verwendet.

Betriebskosten werden immer in unterschiedlichem Umfang verursacht

Grundsätzlich trägt jeder Mieter, egal ob Gewerbe oder Wohnen in einem unterschiedlichen Maße zu den Gesamtkosten einer Betriebskostenposition bei. Sei es, dass der eine Mieter im 1. Obergeschoss wohnt und immer die Treppe nimmt und der andere Mieter im 5. Obergeschoss mehrmals am Tag mit dem Aufzug rauf und runter fährt oder die Rentner im Erdgeschoss alle zwei Stunden die Toilette aufsuchen müssen, während der Workaholic in der baugleichen Wohnung darüber im Fitnessstudio duschen geht, regelmäßig auswärts isst, seine Wäsche in die Reinigung bringt und eigentlich nur zum Schlafen nach Hause kommt. Die Rentner werden sicherlich deutlich mehr Wasser verbrauchen als der Workaholic, dennoch trägt dieser bei einer Verteilung der Wasserkosten, sofern diese nach Fläche abgerechnet werden, genauso viele Kosten, wie die Rentner, da sie über die gleiche Fläche verfügen. Der Beitrag, den jeder Mieter zu den Gesamtkosten leistet, ist zwangsläufig unterschiedlich hoch. Diese Ungenauigkeiten sind nicht zu vermeiden und von den Mietern eines Mehrfamilienhaues im Regelfall hinzunehmen.

Was ist ein Vorwegabzug?

Eine Ausnahme von diesem Regelfall kann entstehen, wenn in einem Gebäude Wohnungen und Gewerbe vorhanden sind und das Gewerbe aufgrund seiner Eigenart deutlich mehr Kosten einer Kostenposition verursacht, als durch eine Wohnungsnutzung verursacht wird. So kann es z.B. bei einem Einzelhandel sein, der 3mal die Woche Ware geliefert bekommt und daher mehr Müll produziert. Würden diese Kosten gem. dem jeweiligen Flächenanteil auf die Gewerbe- und Wohnungsmieter umgelegt, würden die Wohnungsmieter einen Anteil der von dem Gewerbe verursachten Kosten mittragen müssen. Das ist so lange nicht zu beanstanden, als dass die Kosten nicht zu einer erheblichen Mehrbelastung der Wohnungsmieter führen. Liegt eine erhebliche Mehrbelastung vor, sind die Kosten, die durch den Gewerbebetrieb verursacht werden, getrennt von den restlichen Kosten dieser Position zu erfassen. Die gewerblich verursachten Kosten sind dann in der Betriebskostenabrechnung des Gewerbes gesondert abzurechnen. Nur die weiteren Kosten werden unter den übrigen Mietern aufgeteilt. Dieser Abzug der Gewerbekosten vor der Verteilung auf die übrigen Mieter nennt man Vorwegabzug.

Wann ist ein Vorwegabzug erforderlich?

Der Vorwegabzug ist nur dann erforderlich, wenn durch den Betrieb des individuellen Gewerbes so erhebliche Mehrkosten zu einer Betriebskostenposition verursacht werden, dass dies zu einer erheblichen Mehrbelastung der Mieter führen würden. Wann diese Erheblichkeitsgrenze erreicht ist, ist nicht normiert. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2006 jedoch entschieden, dass eine Mehrbelastung von 3% die Erheblichkeitsgrenze nicht übersteigt (BGH Urteil vom 08.03.2006 – VIII ZR 78/05).

Zu einer Mehrbelastung der Wohnungsmieter kann es naturgemäß nur dann kommen, wenn die jeweilige Betriebskostenposition nach Anteil der Wohnfläche umgelegt wird. Erfolgt eine Abrechnung nach erfasstem Verbrauch (Wasserzähler, Heizkostenzähler, Messung des Müllvolumens etc.) oder nach Verursachung (Anzahl der Wohnungen beim Kabelanschluss) kann eine Mehrbelastung nicht in Betracht kommen, denn dann bleiben bereits aufgrund des Verteilerschlüssels die Mehrkosten bei dem Verursacher / Verbraucher. Bei solchen Kostenpositionen kommt somit kein Vorwegabzug in Betracht.

Darstellung in der Betriebskostenabrechnung

Bis zum Jahr 2016 verlangte die Rechtsprechung des BGH, dass die gesamten, für eine Position angefallenen Kosten als Gesamtkosten in der Betriebskostenabrechnung ausgewiesen werden müssen. Gesamtkosten waren damit die Kosten, die der Vermieter unbereinigt für die Position verauslagt hat, z.B. an den Wasserversorger, wenn keine Wasseruhren im Objekt vorhanden sind. Von diesen Gesamtkosten waren dann die Kosten, die auf die jeweilige Nutzergruppe, also auf die Wohnraummieter oder den Gewerbemieter umgelegt werden sollten, als „umlegbare Kosten“ auszuweisen, bevor eine Verteilung nach dem jeweiligen Verteilerschlüssel erfolgte. Wurde der Vorwegabzug nicht ausgewiesen, lag ein formeller Mangel der entsprechenden Kostenposition vor.

Im Jahr 2016 hat der BGH dann seine Rechtsprechung grundlegend geändert. Im Urteil vom 20. Januar 2016; AZ VIII ZR 96/15 hat der BGH entschieden, dass es für die formelle Ordnungsmäßigkeit der Betriebskostenabrechnung genüge, wenn der Vermieter bei den Gesamtkosten der jeweiligen Betriebskostenart den Gesamtbetrag angäbe, den er auf die Wohnungsmieter der gewählten Abrechnungseinheit umlege. Dies gelte auch dann, wenn der Vermieter diesen Gesamtbetrag vorab um nicht auf den Mieter umlagefähige Kostenanteile bereinigt habe. Damit ist eine Ausweisung des Vorwegabzugs bei der Betriebskostenabrechnung nicht mehr erforderlich. Auf eine entsprechend qualifizierte Rüge des Mieters ist es jedoch zu empfehlen, den Vorwegabzug offenzulegen.

Prozessuale Fragen

In vielen Widerspruchsschreiben rügen die Mieter pauschal, dass ein Vorwegabzug wegen des vorhandenen Gewerbes nicht vorgenommen wurde und die Betriebskostenabrechnung deswegen fehlerhaft sei. Dabei verkennen die Mieter regelmäßig den systematischen Aufbau des Betriebskostenrechts. Das Gesetz verlangt, dass der Vermieter jährlich über die Betriebskosten abrechnet. Es muss eine geordnete Aufstellung über die Einnahmen und Ausgaben und die Verteilung auf die Mieter erstellt und dem Mieter zugestellt werden. Die Abrechnung bedarf keiner weiteren Erläuterung und auch nicht der Beifügung von Belegen. Des Weiteren gibt das Gesetz dem Mieter das Recht, die der Abrechnung zugrunde liegenden Belege einsehen zu dürfen. Erst wenn er dieses Recht wahrgenommen hat, kann er beurteilen, ob ein Vorwegabzug vorgenommen wurde.

Wurde kein Vorwegabzug vorgenommen, ist es die Aufgabe des Mieters darzulegen und im Streitfall auch zu beweisen, dass eine erhebliche Mehrbelastung durch den vorhandenen Gewerbebetrieb in einer Kostenposition verursacht wird und daher ein Vorwegabzug durch den Vermieter in der Abrechnung hätte erfolgen müssen, BGH Urteil vom 11.08.2010 – VIII ZR 45/10. Ein pauschaler Verweis auf einen örtlichen Betriebskostenspiegel ist dafür nicht ausreichend, vielmehr muss der Mieter anhand des konkreten Gewerbetriebs darlegen und ggf. auch unter Beweis stellen, dass eine erhebliche Mehrbelastung vorliegt und ein Vorwegabzug erforderlich gewesen wäre.

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Autor: GROSS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Bildnachweis: Pixabay


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