Wie nehmen Gerichte die Spanneneinordnung bei Mieterhöhungen vor?

Wie nehmen Gerichte die Spanneneinordnung bei Mieterhöhungen vor?
08.09.2021

Wie nehmen Gerichte die Spanneneinordnung bei Mieterhöhungen vor?

Spätestens ab dem 1. Januar 2024 soll jede Gemeinde mit mehr als 50.000 Einwohnern einen Mietspiegel erhalten. Dies ist sehr zu begrüßen, beendet jedoch nicht alle Probleme bei der Durchführung von Mieterhöhungen. In Berlin – einer Stadt mit einem zumeist qualifizierten Mietspiegel – wird oft über die Qualifizierung gestritten. Ein weiteres „Problem“ bei Mietspiegeln ist, dass sie in der Regel Spannen ausweisen und keine konkreten Werte. Welcher Wert innerhalb einer Spanne aber heranzuziehen ist, ist nicht immer einfach zu beurteilen.

Der BGH hatte nun einen Fall zu entscheiden, in dem ein Berliner Vermieter sich zwar auf den Mietspiegel 2017 berufen hat, dann aber die Qualifizierung des Berliner Mietspiegels angezweifelt hat. Die begehrte Miete lag zwar innerhalb der Spanne des Mietspiegelfeldes; eine Berechnung nach der Orientierungshilfe des Berliner Mietspiegels ergab aber geringere Werte. Das Amtsgericht hat den Mietspiegel trotz der Bedenken gegen die Qualifizierung herangezogen und die Zustimmungsklage abgewiesen, das Landgericht hat auf die Berufung des Vermieters ein Sachverständigengutachten eingeholt und der Klage stattgegeben. Der BGH hatte nun zu entscheiden, ob und wenn ja, welche der Vorgehensweise der Gerichte „richtig“ war.

Der BGH hält beide Vorgehensweise für rechtmäßig. In der Revisionsinstanz überprüft das Gericht das Urteil lediglich auf Rechtsfehler. Eine Prüfung wie hoch die ortsübliche Vergleichsmiete tatsächlich ist, findet hier nicht mehr statt. Diese Prüfung erfolgt in den Tatsacheninstanzen vor dem Amtsgericht und dem Landgericht.

Wenn einem Mietspiegel die Qualifizierung fehlt, so der BGH, kann er immer noch als einfacher Mietspiegel herangezogen werden. Das Gericht ist in einem solchen Fall berechtigt, die ortsübliche Miete zu schätzen, wenn sich die verlangte Miete innerhalb einer unstreitigen oder in dem einschlägigen Mietspiegelfeld eines (einfachen) Mietspiegels ausgewiesenen Spanne bewegt und für die Bestimmung der Einzelvergleichsmiete im Wege der Schätzung eine geeignete Schätzungsgrundlage vorhanden ist. Der Berliner Mietspiegel hat eine tabellarische Form. Jedes Mietspiegelfeld, das sich nach Größe, Baualter und Lage bestimmt, weist eine bestimmte Spanne der ortsüblichen Vergleichsmiete aus. Außerdem existiert eine Orientierungshilfe zum Berliner Mietspiegel, in der einzelne Merkmale ausgewiesen sind und anhand derer die ortsübliche Vergleichsmiete genauer berechnet werden kann. Der BGH hält diese Orientierungshilfe auch dann als Schätzgrundlage für geeignet, wenn dem Mietspiegel selbst die Qualifizierung fehlt. Als also das Amtsgericht in erster Instanz, um erhebliche Kosten- und Zeitaufwände zu vermeiden, von der Einholung eines von der beweisbelasteten Partei beantragten Sachverständigengutachtens zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete abgesehen hat, hat es rechtmäßig gehandelt. Die Klageabweisung war ohne Rechtsfehler erfolgt.

Der BGH hat dann aber weiter ausgeführt, dass aber das Gericht ein Sachverständigengutachten einholen darf. Also auch die andere Vorgehensweise zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete ist nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat ebenfalls rechtsfehlerfrei gehandelt, als es ein Gutachten eingeholt hat. Insbesondere verstößt es nicht gegen das Gebot des fairen Verfahrens, wenn das Gericht zum Zweck einer Überzeugungsbildung ein kostenträchtiges Sachverständigengutachten zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete einholt und damit den Mieter dem Risiko aussetzt, im Falle eines Prozessverlusts diese Kosten tragen zu müssen.

Es erscheint auf den ersten Blick merkwürdig, dass der BGH sowohl die Klageabweisung durch das Amtsgericht, als auch die Verurteilung durch das Landgericht für rechtmäßig hält. Dies sind aber eben die Besonderheiten der Revisionsinstanz, es werden Rechtsfehler untersucht und eben nicht die ortsübliche Miete. Wie das Gericht in jedem Einzelfall vorgeht, kann hier nicht vorausgesagt werden. Es ist in jedem Fall sinnvoll, sich auf die Möglichkeit eines Gutachtens einzustellen und Argumente zu sammeln, warum der Mietspiegel heranzuziehen ist oder eben nicht.

Der Vollständigkeit halber soll hier noch Folgendes erwähnt werden: In einem weiteren Urteil hat der BGH ausgeführt, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der ortsüblichen Vergleichsmiete der Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens ist. Bisher sind die meisten Vermieter und Juristen davon ausgegangen, dass der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Mieterhöhung maßgeblich sein sollte. Dies hat der BGH nun verneint und stellt auf den Zugang des Zustimmungsverlangens ab.

BGH, Urteil vom 18.11.2020, Az. VIII ZR 123/20; BGH, Urteil vom 26.5.2021, Az. VIII ZR 93/20

Fazit

Grundsätzlich empfehlen wir die Verwendung eines existierenden Mietspiegels. Wenn es sich aber um eine außergewöhnliche Wohnung handelt, kann es sich lohnen, mit den zuständigen Gerichten zu diskutieren, damit diese ein Sachverständigengutachten beauftragen.

Autor: GROSS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Bildnachweis: Pixabay


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