Eigenbedarfskündigung – Die Anbietpflicht des Vermieters

Eigenbedarfskündigung – Die Anbietpflicht des Vermieters
27.11.2017

Eigenbedarfskündigung – Die Anbietpflicht des Vermieters

Nach dem deutschen Mietrecht, darf ein Vermieter einer Wohnung ein Mietverhältnis nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse hat. Damit sollen Wohnraummieter vor Wohnungsverlust geschützt werden. Eigenbedarf ist ein solches rechtliches Interesse. Im dritten Beitrag zur Eigenbedarfskündigung geht es um die Anbietpflicht des Vermieters.

Was umfasst die Anbietpflicht?

Ein Vermieter, der eine weitere Wohnung hat, mit der der Wohnbedarf des Mieters gedeckt werden kann, muss diese Wohnung dem Mieter zur Anmietung anbieten. Voraussetzung ist, dass die Alternativwohnung zu dem Zeitpunkt, zu dem die Kündigung ausgesprochen wird, freisteht. Sollte nach Ausspruch der Eigenbedarfskündigung eine Alternativwohnung frei werden, so ist der Vermieter auch in einem solchen Fall gehalten, die freigewordene Wohnung dem Mieter zur Anmietung anzubieten. Die freigewordene Alternativwohnung ist unverzüglich (innerhalb einer Woche ab Kenntnis vom Freiwerden der Alternativwohnung) dem Mieter zur Anmietung anzubieten.

Beraterhinweis: Die Alternativwohnung muss mit der bisherigen Wohnung des Mieters nicht identisch oder vergleichbar sein. Auch dann, wenn sich die Alternativwohnung von der bisherigen Wohnung des Mieters in der Größe und der Ausstattung unterscheidet, so besteht die Anbietpflicht für den Vermieter fort. Es obliegt allein dem Mieter zu entscheiden, ob er mit der Alternativwohnung seinen Wohnbedarf decken kann. Der Vermieter sollte deshalb, auch wenn die Alternativwohnung für ihn als nicht vergleichbar erscheint, diese Alternativwohnung dem Mieter gegenüber anbieten.

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Wann besteht eine Anbietpflicht?

Das Bundesverfassungsgericht geht diesbezüglich davon aus, dass für den Vermieter dann eine Anbietpflicht besteht, wenn der geltend gemachte Wohnbedarf ohne wesentliche Abstriche in der anderen Wohnung befriedigt werden könnte.

In räumlicher Hinsicht beschränkt sich die Anbietpflicht für den Vermieter nur auf eine ihm zur Verfügung stehende Wohnung im selben Haus oder aber im selben Gebäudekomplex.

Die Anbietpflicht besteht für den Vermieter deshalb, da der Verlust der Wohnung für den Mieter von erheblicher Relevanz ist und mit der Kündigung in grundrechtlich geschützte Güter eingegriffen wird. Mit dem Anbieten einer Alternativwohnung sollen die Folgen des Verlustes der Wohnung abgemildert werden. Diese Anbietpflicht resultiert aus der mietvertraglichen Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB.

Beraterhinweis: Der Vermieter ist nicht verpflichtet, die Alternativwohnung zu einem Mietzins an den Mieter zu vermieten, der dem Mietzins der bisherigen Wohnung entspricht. Der Vermieter ist berechtigt, die ortsübliche Vergleichsmiete oder aber die Marktmiete zu verlangen, die zum Zeitpunkt des Anbietens auf dem Markt für eine vergleichbare Wohnung verlangt werden kann.

Der Vermieter wird seiner Anbietpflicht nur dann gerecht, wenn er dem Mieter die wesentlichen Bedingungen zur Anmietung der Alternativwohnung mitteilt. Zu den wesentlichen Bedingungen des Mietangebotes gehören die Größe der Wohnung, die Ausstattung der Alternativwohnung sowie die vom Vermieter verlangte Miete (Darstellung der Mietzusammensetzung inklusive Nebenkostenvorauszahlungen). Erhält der Mieter diese Informationen nicht, muss er keine Erklärung dahingehend abgeben, ob er die vom Vermieter angebotene Alternativwohnung anmieten möchte oder nicht.

Existiert eine Alternativwohnung, die der Vermieter dem Mieter zur Anmietung anbieten muss, so sollte der Vermieter bereits im Kündigungsschreiben konkret darlegen, dass diese Alternativwohnung für ihn (Vermieter) nicht in Betracht kommt und nicht geeignet ist, den Wohnbedarf des Vermieters zu decken. Anderenfalls wird der Mieter einwenden, der Vermieter könne die Alternativwohnung selbst beziehen und der Vermieter habe nicht nachgewiesen, dass er tatsächlich auf die Wohnung des Mieters angewiesen ist.

Der Vermieter muss auch dann eine Wohnung anbieten, wenn der Mieter weiß, dass eine im Eigentum des Vermieters stehende Wohnung freisteht. Denn mit dieser Kenntnis hat der Mieter noch keine Information darüber, zu welchen Bedingungen die Wohnung gegebenenfalls an ihn vermietet werden soll, und ob der Vermieter überhaupt bereit ist, diese Wohnung an ihn zu vermieten

Fristen der Anbietpflicht

Die Anbietpflicht des Vermieters besteht lediglich bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Wohnungen, die nach Ablauf der Kündigungsfrist frei werden, müssen vom Vermieter nicht angeboten werden. Dies gilt auch dann, wenn der Mieter seine bisherige Wohnung nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht herausgegeben hat. Auch dann, wenn eine Alternativwohnung vor Ablauf der Kündigungsfrist von einem anderen Mieter gekündigt wurde, jedoch erst nach Ablauf der Kündigungsfrist der Eigenbedarfskündigung frei wird, ist der Vermieter nicht verpflichtet, dem Mieter diese Alternativwohnung zur Anmietung anzubieten.

Ausnahmen und besondere Fälle

Die Anbietpflicht besteht für den Vermieter nicht in jedem Fall. Es gibt durchaus Fallgestaltungen, bei denen der Vermieter nicht verpflichtet ist, dem Mieter eine Wohnung zur Anmietung anzubieten.

Haben sich aus dem bisherigen Mietverhältnis Umstände ergeben, die den Vermieter dazu berechtigen, eine außerordentliche oder eine ordentliche Kündigung wegen Pflichtverletzungen des Mieters auszusprechen, dann ist der Vermieter nicht verpflichtet, eine Alternativwohnung anzubieten. Denn in solchen Fällen ist es dem Vermieter nicht zuzumuten, ein neues Mietverhältnis mit dem Mieter abzuschließen, da das Vertrauensverhältnis im Dauerschuldverhältnis zerstört ist und die Vermutung besteht, auch bei Durchführung des neuen Mietverhältnisses werde es zu Pflichtverletzungen durch den Mieter kommen.

Nach der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs besteht für den Vermieter keine Anbietpflicht, wenn eine Wohnung freisteht, die bisher als Gewerberaum vermietet und genutzt wurde

Beraterhinweis: Nach hiesiger Ansicht kann diese Auffassung nicht pauschaliert werden. Denn steht für den Vermieter fest, dass er die bisher als Gewerbe genutzte Wohnung nunmehr als Wohnraum vermieten möchte, dann dürfte der Vermieter nach dem gegenseitigen Rücksichtnahmegebot verpflichtet sein, dem Mieter diese Wohnung anzubieten.

Die Anbietpflicht entfällt für den Vermieter auch dann, wenn für den Vermieter eindeutig feststeht, die Wohnung nicht weiterzuvermieten, sei es an den bisherigen Mieter, noch an andere Dritte Personen. Denn der Vermieter ist grundsätzlich nicht verpflichtet, eine in seinem Eigentum stehende Wohnung dem allgemeinen Wohnungsmarkt zur Verfügung zu stellen.

Beraterhinweis: In einigen Städten existieren Zweckentfremdungsverbotsgesetze, wonach der Vermieter verpflichtet ist, freigewordene Wohnungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums weiterzuvermieten, oder aber Vermietungsbemühungen nachzuweisen. In einem solchen Fall besteht für den Vermieter auch dann die Anbietpflicht, selbst wenn er kein Interesse an die Vermietung der Wohnung hat, da der Vermieter nach den gesetzlichen Vorgaben ohnehin verpflichtet ist, die Wohnung alsbald weiterzuvermieten.

Besteht für den Vermieter unzweifelhaft fest, dass der Mieter eine im Eigentum des Vermieters befindliche Alternativwohnung ohnehin nicht anmieten will, dann entfällt auch in einem solchen Fall die Anbietpflicht des Vermieters. Denn wenn der Vermieter Gewissheit darüber hat, dass der Mieter die Alternativwohnung unter keinen Umständen anmieten wird, würde es eine bloße Förmelei darstellen, dem Mieter die freigewordene Wohnung anzubieten.

Die Verletzung der Anbietpflicht führt nicht zur Unwirksamkeit der ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung. Die Verletzung der Anbietpflicht hat (nur) zur Folge, dass dem Mieter Schadensersatzansprüche gegen den Vermieter zustehen können.

Beraterhinweis: Der Vermieter ist gut beraten, vor Ausspruch der Kündigung zu prüfen, ob er verpflichtet ist, dem Mieter eine in seinem Eigentum stehende Alternativwohnung anzubieten. Die Verletzung der Anbietpflicht kann Schadensersatzansprüche wie Umzugskosten, Maklerkosten, Mehrkosten für die neue Wohnung und andere Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Anmietung einer anderen Wohnung stehen, auslösen.

Für Interessierte zum Nachlesen folgen hier die für den Artikel verwandten Urteile:

  • Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 13.11.1990, Az. 1 BvR 275/90
  • BGH, Urteil vom 13.10.2010, Az. VIII ZR 78/10 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=4e66d05759f02fe711e66b0da0a311b3&nr=53891&pos=0&anz=1)
  • BGH, Urteil vom 14.12.2016, Az. VIII ZR 232/15 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=74e9cdb0018f3fea31d8030524c3dda7&nr=77086&pos=0&anz=1

Autor: GROSS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Bildnachweis: Pixabay


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