Neues vom BGH zur Barrierereduzierung

Neues vom BGH zur Barrierereduzierung

Wenn der Eigentümer seine Wohnung ohne Barriere erreichen will

14.02.2024
Und schon wieder geht es bei uns um bauliche Veränderungen auf Wunsch eines Eigentümers. Anlass für diesen Beitrag sind die neuen Entscheidungen des BGH vom 9. Februar 2024 zu den Voraussetzungen und Grenzen von baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums zur Barrierereduzierung. In einem Fall geht es um den Einbau eines Aufzugs, im andern und die Errichtung einer Terrasse mit Zufahrtsrampe.

Grundsätzliches

Wenn ein Eigentümer einen Beschluss herbeiführen will, so muss er die Gemeinschaft fragen. In der Versammlung wird dann über den Beschlussantrag des Eigentümers abgestimmt. Der Eigentümer hat dann einen Anspruch auf eine positive Beschlussfassung, wenn eine so genannte privilegierte Baumaßnahme vorliegt. Dies sind die Maßnahmen nach § 20 Abs. 2 WEG, nämlich Maßnahmen zur Barrierereduzierung, zum Einbruchschutz, für ein schnelles Internet und zum Laden elektrischer Fahrzeuge. Der Anspruch besteht zum „Ob“, die Gemeinschaft entscheidet über das „Wie“. Insofern verweise ich auf meinen Beitrag in der letzten Woche.

Anbau eines Aufzugs

Es geht um eine Eigentumsanlage in München, die aus zwei Jugendstilgebäuden besteht. Diese stehen unter Denkmalschutz. Die Wohneinheiten der klagenden Eigentümer befinden sich im Hinterhaus im 3. bzw. 4. Obergeschoss. Das Hinterhaus oder Gesindehaus ist von außen eher schlicht gehalten. Im Vorderhaus gibt es einen Personenaufzug. Die Eigentümer wollen einen Personenaufzug Außen auf eigene Kosten anbringen lassen, um eingeschränkten Menschen den Zugang zu ermöglichen; selbst eingeschränkt sind sie nicht. Die GdWE lehnte des Beschluss ab, so dass nun über die Beschlussersetzungsklage und hier über das „ob“ zu entscheiden war. Das Landgericht hatte diesen Grundlagenbeschluss ersetzt. Dagegen ging die GdWE in Revision.
Der BGH wies diese Revision zurück. Die Errichtung eines Personenaufzugs stellt eine angemessene bauliche Veränderung dar, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen dient. Die Maßnahme ist ausnahmsweise nicht angemessen, „wenn mit der Maßnahme Nachteile verbunden sind, die über die Folgen hinausgehen, die typischerweise mit der Durchführung einer privilegierten baulichen Veränderung einhergehen. Eingriffe in die Bausubstanz, übliche Nutzungseinschränkungen des Gemeinschaftseigentums und optische Veränderungen der Anlage etwa aufgrund von Anbauten können die Unangemessenheit daher regelmäßig nicht begründen.“, heißt es in der Pressemitteilung. Auch die Kosten spielen hier keine Rolle, denn diese haben die bauenden Eigentümer zu tragen.
 
Das Gericht beschäftigte sich auch mit der Frage, ob hier eine grundlegende Umgestaltung dem Anspruch entgegenstehen könnte. Nicht jede Änderung, die die Eigenart der Wohnanlage ändert (alte Rechtslage) stellt eine grundlegende Umgestaltung (neue Rechtslage) dar. Es gilt das Regel-Ausnahme-Verhältnis. Nur ausnahmeweise liegt eine zu berücksichtigende grundlegende Umgestaltung vor. Solche außergewöhnlichen Umstände waren hier nicht gegeben. Die Eigentümer können daher einen Aufzug errichten.

Jetzt geht es für die GdWE um das „Wie“ des Aufzugeinbaus. Das ist aber nicht mehr Gegenstand dieses Rechtsstreits, hier ging es nur um den Grundlagenbeschluss (Az. V ZR 244/22). 

Anbau einer Rampe

In dem zweiten Fall bestand die Eigentumsanlage aus drei miteinander verbundenen Häusern mit jeweils zwei Wohnungen im Erdgeschoss und zwei weiteren Wohnungen im ersten Obergeschoss. Hinter den Gebäuden befindet sich eine Gartenfläche. Die Eigentümer der EG-Wohnungen haben hier Sondernutzungsrechte, sie dürfen dort Terrassen errichten. Die GdWE beschloss auf einem der Sondernutzungsrechte eine 65 cm aufgeschüttete Terrasse zu errichten und diese mit einer Rampe zu versehen. Ggf. soll eine Verbindung zur Hauseingangstür geschaffen werden. Die Eigentümerin der betroffenen Wohnung hatte diese verlangt und zahlt auch die Kosten. Anderen Eigentümer gefiel das nicht, sie erhoben Anfechtungsklage. Amtsgericht und Landgericht gaben der Anfechtungsklage statt. Der BGH sieht dies anders (V ZR 33/23).

Bei einer Anfechtungsklage ist im Gegensatz zur Beschlussersetzungsklage nicht zu prüfen, ob hier tatsächlich ein Individualanspruch der Eigentümerin der EG-Wohnung bestand. Hier ist lediglich zu prüfen, ob die Grenzen von § 20 Abs. 4 WEG eingehalten worden sind, denn Eigentümer dürfen auch dann bauliche Veränderungen beschließen, wenn sie Zweifel an den individuellen Ansprüchen und § 20 Abs. 2 WEG haben.

Es ging also auch wiederum um die grundlegende Umgestaltung, die nur ausnahmsweise anzunehmen ist. Dem Regel-Ausnahme-Verhältnis ist auch hier Rechnung zu tragen. Da wir über eine Rampe, also eine Maßnahme, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen dient, sprechen, bedarf es besonderer Umstände, um eine solche grundlegende Umgestaltung anzunehmen.

Fazit

Eine grundlegende Umgestaltung der Anlage ist in der Regel nicht anzunehmen. Welche besonderen Umstände hier vorliegen müssen, um doch diese Ausnahme zu bejahen ist offen und wurde vom BGH nicht entschieden. Außenaufzüge (an denkmalgeschützten Gebäuden) und Rampen an Terrassen zählen jedenfalls nicht dazu.

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Autorin: Katharina Gündel, GROSS Rechtsanwaltsgesellschaft
Bildnachweis: Pexels

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