Spektakuläres Mietminderungsbegehren! - Eine Entscheidung des OLG Frankfurt zu fast allem

Spektakuläres Mietminderungsbegehren! - Eine Entscheidung des OLG Frankfurt zu fast allem

Eine Entscheidung des OLG Frankfurt zu fast allem

02.08.2023
Das Urteil ging durch die Presse mit der Aussage: Ein nackter Vermieter ist kein Minderungsgrund. Das nächste, was ich dazu hörte, war, dass das Urteil 48 Seiten lang ist. 48 Seiten über nackte Vermieter. Das erschien zu viel, aber doch so spannend, dass ich das Urteil ganz gelesen habe.

Es ging um viel mehr, nämlich um Minderungen im Gewerbemietrecht, um zugesicherte Eigenschaften, Betriebskostenabrechnungen, Straßenbaustellen vor dem Haus, Flächenberechnungen, Essensgerüche und eben auch um den sich sonnenden Vermieter. In diesem Beitrag wird das Urteil nun kurz vorgestellt:

Der Fall (von der interessierten Leserin nacherzählt)

Zwischen M und V besteht ein Geschäftsraummietvertrag über eine Einheit in einer Jugendstilvilla im Frankfurter Westend, was offensichtlich eine gute und teure Gegend ist. In dieser Villa gibt es Gewerbeeinheiten, Wohnungen und gemischt genutzte Einheiten. Auch der Vermieter V wohnt in dem Gebäude. M betreibt eine Personalberatung.

Laut Mietvertrag setzt sich die Gesamtfläche von ca. 150 qm aus Flur, 6 Räumen, einer Teeküche, je einer Damen- und Herrentoilette und hälftig eingerechnetem Balkon zusammen. Bei Mietvertragsabschluss hatte V der M eine erkennbar etwas ältere Flächenberechnung übergeben, aber dennoch eine Gesamt- und keine qm-Miete vereinbart.

Zwischen beiden besteht Streit über eine Vielzahl kleinerer und größerer Probleme. M hatte einige Mieten nicht gezahlt und auch nicht die Nachforderungen aus den Betriebskostenabrechnungen.

Gegen die Mietzahlungsansprüche wendet M eine große Anzahl von Mängeln und das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft ein. Die tatsächliche Fläche weicht jedoch von der Flächenberechnung vom Mietvertragsschluss ab. Wie groß die Abweichung ist und welche Auswirkungen das hat, ist strittig. Außerdem gäbe es Essensgerüche im Haus, Gerümpel – wie Koffer und Kinderwägen – stünden im Hausflur, die Straßenbaustelle führe zu einer Mietminderung und eben auch der Vermieter, der sich nackt im Hof sonnt.

Die Fragen der Fälligkeit der Abrechnung und der Straßenbauarbeiten werden Gegenstand eines späteren Beitrags sein.

Die Entscheidung (nacherzählt und erläutert)

In dem Urteil beschäftigt sich das OLG Frankfurt nacheinander mit allen diesen Punkten und beginnt mit der Fläche der Einheit. Hier war zu klären:

Sind die Angabe der Fläche und die Übergabe der Flächenberechnung die Zusicherung einer Eigenschaft?

Warum ist das wichtig? Die Miete ist gemindert, wenn Mangel vorliegt, der die Gebrauchstauglichkeit erheblich beeinträchtigt (unerhebliche Beeinträchtigungen bleiben außer Betracht) oder wenn eine zugesicherte Eigenschaft fehlt. Bei letzterer kommt es auf die Beeinträchtigung nicht an. Gemindert ist auch ohne Beeinträchtigung.

Daher prüfte das Gericht zuerst. Ob mit der Übergabe der Flächenberechnung die Zusicherung einer Eigenschaft zu sehen ist. Eine zugesicherte Eigenschaft liegt aber nur dann vor, wenn der Vermieter für das Bestehen einer Eigenschaft einstehen will. Allein die Übergabe einer erkennbar älteren Abrechnung liegt keine Zusicherung. Dies gilt hier auch vor allem deshalb, weil im Mietvertrag bei der Fläche ein „ca.“ steht, auch ist keine qm-Miete vereinbart, sondern eine Miete für die gesamte Fläche.
Die Miete könnte jedoch gemindert sein, wenn ein Mangel vorliegt, also eine negative Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit, die zu einer Gebrauchsbeeinträchtigung führt. Einen solchen Mangel nimmt die Rechtsprechung dann an, wenn die Abweichung mehr als 10% beträgt. Dies behauptet hier die Mieterin.

Doch wie errechnet man die Fläche? Auch dazu führt das Gericht aus: Länge x Breite, wenn die Räume rechtwinklig sind (so tatsächlich im Urteil beschrieben). Man könne auch dann Länge x Breite – rechnen, wenn wie hier im Altbau die Räume nur fast rechtwinklig sind. Die Abweichungen seien dann derart gering, dass dies keine Auswirkungen habe (sagt der dazu befragte Sachverständige).
Doch wie errechnet man die Fläche? Bzw. was gehört alles zur Fläche? Es gibt hier verschiedene Vorschriften, ob die Grundflächen der Wände, die Gemeinschaftsflächen, die Freiflächen wie Balkone und Flächen unter Dachschrägen zu berücksichtigen sind.
Im preisgebundenen Wohnraum gilt die Wohnflächenverordnung (zumindest für Mietverträge nach 2004).
Für freifanzierten Wohnraum oder wie hier für Gewerberaummietrecht gibt es keine gesetzlichen Vorschriften. Wenn dann auch im Mietvertrag nicht dazu vereinbart ist, sind die Parteien ratlos. Ist die Grundfläche maßgebend, die Grundflächen der Räume, die DIN 277-1 oder die Richtlinie zur Berechnung der Mietfläche für gewerblichen Raum MF-G der Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung (kurz gif).

In unserem Fall sagt das OLG Frankfurt: „Die Flächengröße einer zu gewerblichen Zwecken vermieteten Wohnung kann, soweit der Mietvertrag hierauf verweist sowohl entsprechend der Wohnflächenverordnung als auch nach der GIF MF/G in Verbindung mit der DIN 277-1 ermittelt werden.“ Der Sachverständige errechnete die Fläche nach der Vorgabe der GIF MF/G und kam zum Ergebnis, dass die Fläche 143,55 m². Nach der Wohnflächenverordnung wäre der Balkon aber nicht mit 50%, sondern nur mit 25% zu berücksichtigen gewesen. Dies hätte zu einer weiteren Reduzierung von 0,64 m² geführt. Da ein Mangel aber erst ab einer Abweichung von 15m², also einer Fläche unter 135m² denkbar ist, liegt in der Flächenabweichung kein Grund für eine Mietminderung.

Ist die Miete gemindert wegen der Essensgerüche?

Nein, sagt das OLG Frankfurt. Küchengerüche im Treppenhaus einer sowohl zu Wohnzwecken als auch gewerblich genutzten Immobilie sind i.d.R. als sozial adäquate Belästigung hinzunehmen. Das Gericht hatte hier einen Ortstermin gemacht und dabei festgestellt, dass es im Treppenhaus weniger nach Essen bzw. der Zubereitung rieche, als in der Mieteinheit, in der die Mitarbeiter eine Mittagspause gemacht hatten.

Ist die Miete gemindert wegen des Gerümpels und des Kinderwagens?

Nein, sagt das OLG Frankfurt. Ein Kinderwagen im Treppenhaus einer sowohl zu Wohnzwecken als auch gewerblich genutzten Immobilie sind i.d.R. als sozial adäquate Belästigung hinzunehmen. Gerümpel konnte beim Ortstermin nicht festgestellt werden. Die Mieterin hatte hier zu wenig vorgetragen. Wer einen Mangel behauptet, muss ihn auch darlegen können und das hat die Mieterin hier nicht ausreichend getan. 

Ist die Miete gemindert wegen des nackten Vermieters?

Nein, sagt das OLG Frankfurt. Die Frage ist, ob die Grenzen des § 906 BGB überschritten werden. Dann kann ein Mangel vorliegen (Bolzplatzentscheidung). In § 906 geht es um die Zuführung unwägbarer Stoffe (Gase, Dämpfe, Gerüche, Geräusche) und eben auch um ästhetische Einwirkungen. Wenn diese wesentlich sind, kommt eine Mietminderung in Betracht.
Ästhetische oder sittlich als anstößig empfundene Einwirkungen auf ein Grundstück sind keine ideellen Einwirkungen, denen der Eigentümer des Grundstücks mit einem Unterlassungsanspruch begegnen kann. Bereits 1904 wurde in den „Belästigungen der Nachbarn durch das unzüchtige Treiben in einem Grundstücke keine Einwirkung im Sinne des § 906 BGB gefunden“ (so wörtlich: RG, Urt. v. 9. 4.1904, V 15/04). Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Miete nicht gemindert ist.
Das Gericht hat weiter geprüft, ob vielleicht die Minderung darauf gestützt werden kann, dass der Vermieter hier gezielt provoziert. Aber auch das wurde – nach dem Ortstermin – verneint. Die Liege, auf der sich der Vermieter sonnt, ist von der Mieteinheit nur dann zu sehen, wenn man oder frau sich weit aus dem Fenster lehnt. Daher kann hier von einem gezielten Vorgehen gegenüber der Mieterin nicht ausgegangen werden.

Was lehrt uns dies?

Nicht alles, was den Mietern nicht passt, führt zu einer Mietminderung. Bei jedem behaupteten Mangel ist zu prüfen: Liegt eine Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit vor? Was ist die Sollbeschaffenheit und woraus ergibt sich diese? Führt diese Abweichung zu einer Gebrauchsbeeinträchtigung? Ist diese erheblich? ODER Hat der Vermieter hier eine Eigenschaft zugesichert? Im Geschäftsraummietrecht geht es dann weiter darum, gibt es zur Minderung und deren Ausschluss Regelungen im Mietvertrag? Erst nach Beantwortung aller dieser Fragen, kann auch die Frage nach der Minderung geklärt werden. 

Autorin: Katharina Gündel, GROSS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Bildnachweis: Pixabay

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