Wie riecht’s denn hier?

Wie riecht’s denn hier?

Minderung für unerhebliche (?) Mängel

28.09.2022

Wenn es Mängel im Mietobjekt gibt, ist die Miete angemessen herabgesetzt, also gemindert. So lautet der Grundsatz. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit des Mietobjekts bleibt außer Betracht (§ 536 Abs. 1 S. 3 BGB). Daher streiten sich Mieter und Vermieter oft um die Frage, ist der Mangel erheblich oder unerheblich. Ist gemindert oder nicht?

Grundsätzlich gilt: Ein Mangel ist die negative Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit.  

Frage 1 ist also: Wie ist die Soll-Beschaffenheit? 

Bei den meisten Mängeln lässt sich diese Frage leicht beantworten. Wenn eine Steckdose defekt ist, liegt wohl ein Mangel vor, denn die Soll-Beschaffenheit dürfte in der Regel sein, dass Steckdosen nicht herausgerissen sind. Die Soll-Beschaffenheit wird aber durch die vertraglichen Vereinbarungen bestimmt. Denkbar wäre es, wenn die Parteien eine so genannte Sub-Standard-Vereinbarung geschlossen haben und ausdrücklich vereinbaren, dass die Wohnungen nicht renoviert ist und „unrenoviert“ der vertragsgemäße Soll-Zustand ist. Die Grenze für derartige Vereinbarungen ist dort gegeben, wo ein Wohnen in einer Wohnung nicht mehr möglich ist. So kann eine Wohnung ohne funktionstüchtige Steckdosen nicht vermietet werden. Bei Gewerben hängt dies davon ab, zu welchem Zwecke die Räume vermietet werden sollen. An ein Lager sind sicher andere Voraussetzungen zu stellen als an ein Serverzentrum oder ein Café. 

Wenn es keine ausdrücklichen Beschaffenheitsvereinbarungen im Mietvertrag, dem Übergabeprotokoll oder den Mietvertragsverhandlungen gibt, wird die Soll-Beschaffenheit nach der Verkehrsanschauung beurteilt. Es kommt hierbei immer auf den Zeitpunkt der Besichtigung der Mieteinheit an oder wenn keine Besichtigung stattgefunden hat, auf den Zeitpunkt der vom Vermieter angebotenen Besichtigung oder auf den Vertragsabschluss. 

Frage 2: Weicht die Ist-Beschaffenheit negativ von dieser Sollbeschaffenheit ab? 

Diese Frage ist meist durch eine Besichtigung oder einen Test zu klären. Rechtlich schwierig ist dies meist nicht. Die defekte Steckdose weicht negativ von der funktionstüchtigen Steckdose ab.  

Frage 3: Was folgt aus der Abweichung? 

Es folgt immer – die Erheblichkeit ist hier egal – ein Mangelbeseitigungsanspruch. Das Fehlen des Stöpselkette in der Badewanne ist ein Mangel, der nicht zu einer Minderung führt, trotzdem schuldet der Vermieter hier Reparatur oder Ersatz. Dasselbe gilt für die eine defekte Steckdose in der Küche, auch diese muss der Vermieter reparieren (übrigens auch, wenn es eine Kleinreparaturklausel gibt, siehe dazu hier). 

Frage 4: Ist die Miete gemindert, also ist die Abweichung erheblich? 

Kommen wir nun aber zur Ausgansfrage zurück. Wann liegt ein unerheblicher Mangel vor? Das ist dann der Fall, wenn die Beeinträchtigung des Mieters bzw. des Mietgebrauchs von einiger Dauer oder einigem Umfang ist. Die eine defekte Steckdose ist ein unerheblicher Mangel. Eine Minderung scheidet aus. Weitere Beispiele sind: einmaliger Lärm aus der Nachbarwohnung, Verdunkelung der Küche durch ein Baugerüst. Sehr kurzer Heizungsausfall, abgetretene Türschwellen oder Haarrisse in der Zimmerdecke. 

Übrigens wenn mehrere Steckdosen defekt sind, sieht das schon anders aus. Mehrere unerhebliche Mängel führen zu einer Minderung, denn dann ist die Beeinträchtigung des Mietgebrauchs insgesamt erheblich. 

Einige Gerichte schauen sich auch die Art der Mieteinheit an. Bei einer Luxuswohnung mit gehobenem Standard und der entsprechenden Miete können dann eben doch Haarrisse zu einer Minderung führen, was im unmodernisierten Altbau eben nur selten der Fall ist. 

Frage 5: Wie berechnet sich die Minderung? 

Es soll ein Äquivalenzausgleich zwischen Leistung und Gegenleistung geschaffen werden. Meist wird aber die Mietminderung geschätzt oder „über den Daumen gepeilt“. Richtwerte lassen sich aus Mietminderungstabellen entnehmen. 
Folgende Faktoren sind zu berücksichtigen: 

  - Art und Umfang der Funktionseinbußen 
  - Dauer/Häufigkeit der Beeinträchtigung 
  - Gesteigerte Qualitätsansprüche bei hochpreisigen Wohnungen 
  - Absinken auf/unter den Mindeststandard 
  - Jahreszeit  
  - Wohngegend 

Nach der so genannten Nutzwertanalyse werden die Räume mit einem Wert versehen. Das Wohnzimmer hat einen Wert von 10, das Schlafzimmer von 9, andere Zimmer von 8, das Bad und die Küche von 7, der Flur von 4, die Kammer aber nur von 2. Dann wird geschaut, wie hoch ist die Beeinträchtigung von 0,1 fast keine bis 1,0 vollständige. Aus diesen Werten kann dann die Minderung errechnet werden. Wie bereits gesagt, wird dies nur sehr selten gemacht.  

Ein Beispiel aus Hamburg: 

Seit dem 28.2.2013 besteht ein Mietverhältnis über eine 215 m² große Wohnung in der ersten Etage eines Mehrfamilienhauses, die Wohnung kostet mehr als 4.000 € bruttowarm. Im Dezember 2015 zeigt der Mieter erstmalig „Feuchtigkeit an der Decke (u.a. erste braune Flecken)“ in einem 12 m² großen Zimmer an. Die Mietminderung begründet der Mieter sodann im Januar 2016 zusätzlich mit einem feuchten, muffigen Geruch. Ab Februar 2016 mindert der Mieter um 8%  

Die Vermieterin meint, der Zustand des Zimmers führe zu keiner erheblichen funktionellen Gebrauchsbeeinträchtigung. Ihre Auffassung begründet die Klägerin damit, dass die behaupteten Mängelerscheinungen geringfügig seien und das Zimmer außerdem größenmäßig eine untergeordnete Bedeutung habe.
 
Das Amtsgericht Hamburg (Urteil vom 4.2.2022 – 48 C 242/20) hält eine Minderung der Bruttomonatsmiete um 5 % für angemessen. Zwar führen optische Mängel nicht ohne Weiteres zum Überschreiten der Erheblichkeitsschwelle; jedoch ist im vorliegenden Einzelfall zu berücksichtigen, dass sich die Wohnung im gehobenen Preissegment befinde und der Mieter somit hohe Ansprüche an den dekorativen Zustand stellen dürfe, so das Gericht. Der Mangel liegt darin, dass die Flecken in einem dekorativ relevanten Bereich der Decke – im Bereich von Stuck-Verzierungen – vorhanden seien, was die ästhetische Gesamterscheinung des Raumes störe. Der tatsächliche Gebrauch des Zimmers werde jedoch nur durch die Geruchsbelästigung beeinträchtigt. Hinzu kommt, dass das Zimmer in Gesamtbetrachtung der Wohnung eine gute Lage hat. Zudem entfällt ein beachtlicher Teil der Wohnung auf Flure, Balkone und eine Diele, sodass den Zimmern eine hervorgehobene Bedeutung beizumessen ist. Diesen Ausführungen ist durchaus zu folgen. 
 
Fehl geht das Gericht aber mit Folgendem: Aus der Beweisaufnahme soll sich ergeben haben, dass, unter anderem aufgrund der asthmatischen Erkrankung des Beklagten, die Geruchsbelästigung die Mieter sichtlich emotional beschäftige. Auch für die insoweit gesunde Mitbewohnerin komme die Nutzung des Zimmers nicht in Betracht, da sie sich unwohl fühle. Dies spielt bei der Beurteilung des Mangels und damit auch der Minderung keine Rolle, denn das Mietrecht geht von einem objektiven Mangelbegriff aus und nicht vom subjektiven Mangelbegriff. Dass der Mieter Asthma hat, darf daher keine Rolle spielen. 
 
Dennoch dürfte unter dem Strich eine Minderung von 5% tatsächlich angemessen sein, auch wenn nur 5% der Wohnfläche betroffen sind. Wenn der Nutzwert des Zimmers seine tatsächliche Fläche übersteigt und ca. 10% der Wohnung ausmacht, dann führt die stark eingeschränkte Nutzbarkeit sehr schnell zu einer Minderung von 5%. 

Fazit: 

Wenn ein Mieter einen Mangel meldet, besichtigen Sie den Mangel und prüfen Sie den Grad der Beeinträchtigung. Zu beseitigen ist der Mangel in aller Regel (wenn es denn möglich ist), ob die Miete auch gemindert ist, hängt von der Erheblichkeit des Mangels ab. 

Autor: Katharina Gündel; Isabella Kallin; GROSS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Bildnachweis: Pixabay


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